Journaling hat mich gefunden. Nicht umgekehrt. Wenn wir ehrlich sind, habe ich mich sogar lange dagegen gesträubt. Aber Journaling hatte einen langen Atem und ich gebe gern mal genervt auf. Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade von Valeska von „Schreib dich resilient“ teil.

Du findest ihren Aufruf hier.

https://schreibdichresilient.de/blogparade-dein-weg-zum-journaling/

 

 

 

 

 

 

Sich schreibend organisieren

Alles begann damit, dass ich eine Zeitlang mit dem Zug zur Arbeit gefahren bin. 45 Minuten hin. 45 Minuten zurück. Um diese Leerzeit irgendwie sinnvoll zu füllen, habe ich mir ein Audible-Abo gegönnt und Hörbücher gehört wie andere Leute Wasser trinken. Meistens stockte ich mein Abo (ein Buch im Monat) um weitere Titel auf und so fand mich eines Tages „Bullet Journaling“ von Ryder Caroll. Ein Buch übers Schreiben zu HÖREN, ist ein bisschen seltsam. Aber ich war sofort fasziniert von der Methode, sich mit Notizbuch, einem System und dem Schreiben besser zu organisieren.

 

Farbige Notizbücher in einer Reihe.

 

 

Journaling: Fast wie Yoga

Ryders Ideen habe ich als nur als Impuls genommen und die Methode für mich angepasst. Ich habe mein eigenes „Set-up“ entwickelt und finde es schön, als Einstieg ins Planen und Schreiben erstmal eine Seite anzulegen, die einem bestimmten Schema folgt. Es ist ein Ankommen: Linien ziehen, Kalender selbst schreiben, ein Zitat finden, das grade passt. Ein bisschen wie der Sonnengruß beim Yoga. Dein Körper kennt die Bewegungen, führt sie aus, ohne dass du darüber nachdenken musst und kommt auf diese Art schon in einen kleinen Flow.

Genauso geht es mir bei der Routine, sich am Sonntag oder Montag eine Wochenübersicht und Anfang des Monats eine Monatsübersicht selbst anzulegen. Außerdem diszipliniert es mich, mittel- und längerfristig zu planen.

 

Einmal ohne Kitsch, bitte

Ich wollte meinen Seiten „schön“ haben, aber ohne all den Kitsch, den man findet, wenn man „Bullet Journaling“ in die Google-Bildsuche eingibt. Meinen einzigen festen Prinzipen: Ich schreibe mit schwarzer Tinte und einer dicken Feder in großen Druckbuchstaben und ich ziehe alle Striche von Hand, ohne Lineal. Ich hab einige gedeckte Lieblingsfarben für Hervorhebungen und ja, okay, manchmal klebe ich auch so einen Sticker ins Buch (siehe Foto unten) 🙄.

 

Sticker in einem Bullet Journaling.

 

Meine Augen sagen „Danke“

Das Analoge empfinde ich als Gewinn. Mit meinen digitalen Tools und Kalendern – ich habe einige  – verbindet mich weniger als mit diesen von Hand geschrieben Einträgen. Obwohl ich sonst mit den Fingern an der Tastatur denke, gern und schnell mit dem Rechner schreibe, viel lösche und ändere, hat das Handschriftliche eine andere Qualität. Und meine Augen sind auch sehr dankbar, wenn sie mal nicht in einen Bildschirm starren müssen.

 

Work in Progress

Bis ich mein System gefunden hatte, dauert es. Ich habe viel ausprobiert, verworfen, wieder neu angefangen. So ist es bis heute: Work in Progress. Aber faszinierend war: Das Prinzip an sich hat sofort funktioniert. Allein das systematische Aufschreiben hat meine Arbeitstage entwirrt und ihnen Struktur gegeben. Ich habe nicht nur Termine geplant, wie zuvor in meinem Kalender, sondern auch Arbeitsschritte und Zeitfenster angelegt, Ziele und Notizen aufgeschrieben und hatte so endlich einen Plan für den Tag, die Woche, den Monat.

 

Nur ein Organisationstool?

Ganz bewusst wollte ich das Journal als ein Organisationstool nutzen und nicht als einen Platz, um meinen Gedanken oder Gefühle niederzuschreiben. Ich wollte es unemotional halten. Ein Buch, das ich mitnehmen und auch mal auf dem Schreibtisch in der Redaktion liegen lassen kann, ohne dass jemand gleich meine persönlichsten Gedanken zu lesen bekommt.

 

Eine Frau schreibt in ihr Journal.

 

 

 

 

Entlastung im Schreibprozess finden

Dann kam Corona und das Buch und ich verließen kaum noch das Haus. Damals habe ich wieder angefangen, persönlich zu schreiben. Wir sind ja alle durch diese seltsame, surreale, belastende Zeit gegangen. Ich habe damals (wieder) gespürt, was für eine Entlastung der Schreibprozess sein kann. Ein Prozess, der sich durch keine KI ersetzen lässt. Wie die Worte und Sätze, die meine Gedanken und mein Bewusstsein verlassen und in der realen Welt – schwarze Tinte auf weißem Papier – zu existieren beginnen, eine andere Qualität bekommen. Sie werden real und damit berechenbarer. Wir gehen anders mit Ängsten, Sorgen, Wünschen und Erwartungen um, wenn sie erst Worte und damit einen Namen haben.

Das ist ein spannendes Feld, eines meiner nächsten Themen wird die Schreibtherapie sein.

 

Ein Ort für persönliches Wachstum

Zunächst ist das persönliche Schreiben aber ein „Zimmer für mich allein“, ein Ort, der nur mir gehört, der sich ständig wandelt, meine eigene Entwicklung dokumentiert. Ein Ort, um zu wachsen und zur Selbstreflexion. Ein Kalender. Ein Planer. Ich sammle dort auch Eintritts- und Konzertkarten, Zeitungsausschnitte, handgeschriebene Nachrichten, Quittungen und Fahrscheine von Reisen etc. Ein Platz also, an dem Vergangenes aufbewahrt und Zukünftiges geplant wird.

Notizbuch, aufgeschlagen mit einer Zeichnung.

 

 

 

Was zur Hölle ist ein Kollektaneenbuch?

Vor kurzem bin ich über den Begriff Kollektaneenbuch gestolpert (im Hörbuch „Building a Second Brain“ von Tiago Forte). Ich hatte das Wort vorher noch nie gehört, fand das Konzept aber sofort spannend.

Kollektaneenbücher sind Notizbücher, Sammlungen von persönlichem Wissen und Erleben. Viele Informationen über diese Bücher habe ich nicht gefunden. Sie sind aber schon aus der Antike bekannt und erlebten in der frühen Neuzeit eine Blüte. Sie waren handschriftliche Wissensspeicher von Studenten, Literaten, Forschern und Gelehrten – immer auf deren persönliche Vorlieben zugeschnitten.

Auch viele Frauen, die ja lange von den höheren Bildungseinrichtungen ausgeschlossen waren, nutzten sie, um ihr Wissen zu sammeln und zu ordnen. Wikipedia nennt die Bücher ein „Mittel zum Informationsmanagement“. Ein persönliches, vordigitales Wissenstool also. Das Prinzip gefällt mir irgendwie und entspricht ein bisschen meiner Art des Journalings. 

 

Falls du Lust bekommen hast, selbst mit dem Journaling anzufangen: n meinem Blogpost „Journaling: Ein kleiner Leitfaden und 10 Tipp“ findest du einen einfachen Einstieg. 

 

 

Meine Tools

Notizbücher: Bullet Journal Edition 2 (Leuchtturm 1917), Nuuna, Scribbels that Matter, Moleskine

Füller: Lamy mit Feder 1,5, Kaweco (schon wegen der coolen Dose)

Stifte: Faber-Castell Pitt Artist Pen 0,7, Faber-Castell Colour Grip in meinen Lieblingsfarben

Eva Heer

Eva Heer

Journalistin & freie Lektorin

Ich unterstütze dich in deinem Schreiben: Beratend in deinem Schreibprozess oder als Lektorin für deinen Text.

Und falls du nicht gerne schreibst oder du Zeit und Nerven sparen möchtest: Kein Problem. Ich schreibe für dich!

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