
Schreiben: Eine Liebesgeschichte in Zeiten von KI
Einen Titel hat es schon. Und eine erste Struktur. Sonst nichts. Mein imaginäres Buch heißt: „Schreiben: Eine Liebesgeschichte in Zeiten von KI“. Es geht um den tiefgreifende Umbruch, mit dem die KI unser Schreiben verändert.
Meine Liebe zum Schreiben ist ein tiefes menschliches Gefühl, in dem lebenslanges Lernen, all meine berufliche Erfahrung und meine persönliche Entwicklung stecken. Dagegen die KI: Eine Maschine, die nichts vom Leben weiß und nichts kann – außer Wortwahrscheinlichkeiten errechnen. Aber das supereffizient und rattenschnell.
Manchmal fühle ich mich wie einer der letzten Kutschfahrer, als das Auto in die Welt kam. Oder wie eine Porträtmalerin, kurz nach Erfindung der Fotografie.
Der Text ist mein Beitrag zu meiner eigener Blogparade „Welches Sachbuch möchtest du schreiben?“. Ich freu‘ mich, wenn du mitbloggst.
Die KI als Werkzeug nutzen
Dabei will ich die Entwicklung gar nicht so schlecht reden. Ich plädiere einfach dafür, KI als Werkzeug zu nutzen und ihr nicht den Schreibprozess zu überlassen. Vielleicht würde ich in meinem Buch ein versöhnliches Kapitel verfassen: Wie Schreibende KI-Tools sinnvoll in ihren Workflow einbetten, ohne dabei ihre Schreibstimme zu verlieren.
Zu vielen Texten merkt man schon nach den ersten Worten an, dass ChatGPT sie aus der Ursuppe des Netzes gefischt und zu einem gefälligen, mittelmäßigen Ganzen wieder zusammengeflickt hat. Ich lese dann nicht weiter. Nicht aus Trotz, sondern aus Langeweile.
Mein Buch wäre ein Mix aus meinen eigenen Schreiberfahrungen, meinen Gedanken zu den aktuellen Entwicklungen und einem Abriss aus der Geschichte des Schreibens und der Schreibwissenschaft.
Was bleibt trotz KI einzigartig im menschlichen Schreiben?
Ich würde Fragen stellen: Warum schreiben Menschen? Warum haben Geschichten solche Macht? Kann eine mit KI generierte Geschichte Menschen überhaupt berühren? Wie wird unser Schreiben in 10 oder 50 Jahren aussehen? Was geht verloren, wenn wir das Schreiben den Maschinen überlassen? Aber auch: Was gewinnen wir? Vielleicht einen neuen, aber ebenso spannenden und kreativen Schreib- und Denkprozess? Was macht das mit uns? Und ganz philosophisch: Was bleibt einzigartig im menschlichen Schreiben?
Was die KI nicht kann: Geschichtenerzählen
Schreiben ist mehr als Texte erstellen. In meinem Beruf als Redakteurin habe ich darüber nicht groß nachgedacht. Texte in Tageszeitungen sollen informativ und leicht zu verstehen sein. Manchmal erzählen wir auch Geschichten: In Reportagen, Porträts oder Nachberichten. Hier geht es darum, Lesern eine möglichst sinnliche Vorstellung einer Situation zu ermöglichen. Wie riecht es an diesem Ort? Hört man an der zitternden Stimme des Gesprächspartners, dass ihn oder sie ein Thema besonders bewegt? Wie war die Stimmung im Konzertsaal, welche Szenen im Theater haben das Publikum so mitgerissen, dass es spontan applaudiert?
Ich erzähle solche Geschichten gern: Ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben, eingefangen in meinen Worten. Ein kurzer, dem Vergessen entrissener Augenblick, der – im besten Fall – meinen Lesern einen Mehrwert schenkt: Einen Einblick, eine Erkenntnis oder das Wiedererleben eines besonderen Moments.
Die Bedeutung von persönlichem und kreativem Schreiben
Am deutlichsten spürt man die Kraft des Schreibprozesses und was das Schreiben IN uns macht im persönlichen, autobiografischen und kreativen Schreiben. Der Prozess ordnet, entlastet, schenkt uns neue Erkenntnisse. Wir können auf so viele Arten von ihm profitieren. Ich würde in meinem Buch über das Journaling schreiben und wie sehr es mir hilft, mich zu zentrieren, meine Gedanken zu ordnen, zu reflektieren. Über Schreibrituale wie die Morgenseiten.
Über kreatives Schreiben und wie introvertierte, leise und sensible Menschen an Stärke gewinnen, wenn sie sich schreibend ausdrücken: Ein Weg aus dem lauten, schnellen, aufdringlichen Social-Media-Karussell.
Vermutlich würde ein weiteres Kapitel davon handeln, was unseren Kindern verloren geht, wenn sie nicht mehr lernen, selbstständig zu schreiben. Wie sehr denken, lernen und schreiben ineinandergreifen.
Eine Liebeserklärung an das Schreiben
Und enden würde es mit einer Liebeserklärung an das Schreiben, bei der ich versuchen würde, nicht allzu kitschig zu klingen.
Warum setzte ich mich nicht an dieses Buch? Ehrlich gesagt, habe mir bis jetzt noch nicht zugetraut, ein eigenes Buch zu schreiben. Ich weiß nicht, ob ich das Durchhaltevermögen und die Selbstdisziplin hätte. Ich liebe die kleine Form eines Zeitungs- oder Blogartikels. Ein kleines, geschlossenes Werk, im besten Fall mit einer nahen Deadline, zu der es fertig werden muss.
Aber falls ich jemals ein Buch schreibe, dann mit meinen eigenen Worten. Das Marketing kann meinetwegen die KI machen.

Eva Heer
Journalistin & freie Lektorin
Ich möchte dich in deinem Schreiben unterstützen: Beratend in deinem Schreibprozess oder als Lektorin für deinen Text.
Und falls du nicht gerne schreibst oder du Zeit und Nerven sparen möchtest: Kein Problem. Ich schreibe für dich!
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