Überarbeiten macht keinen Spaß, aber einen Text besser. Ich behaupte: Jeden Text. Dass wir Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung überprüfen, ist selbstverständlich. Aber auch an Sprache, Stil und Inhalt sollten wir nochmal ran.

Mit diesem Text greife ich das Thema der Blogparade von Daniela Pokorny auf. 

https://linguistsway.com/kill-your-darlings-deine-drei-besten-tipps-fuers-ueberarbeiten/ 

 

Ich liebe diesen Moment. Der vorletzte Satz eines Textes ist geschrieben. Die Arbeit fast getan. Was noch fehlt, ist ein guter Schluss. Dafür muss ich mir nochmal Zeit nehmen, ein bisschen feilen, mir nochmal Mühe geben.

Sitzt der letzte Satz: Großes Glücksgefühl. Entlastung, Freiheit. Ein fertig geschriebener Text. Yeah! Aufgabe erledigt. Am liebsten würde ich den Text abgeben, wegschicken und nie wieder etwas mit ihm zu tun haben.

Aber so läuft es nicht.

Weil: Ein fertig geschriebener Text ist überhaupt nicht fertig.

Und tatsächlich ist „Kill your Darlings“ eines der besten Prinzipien, unseren Text zu überarbeiten (und eines der schmerzhaftesten). Hier kommen meine drei liebsten Empfehlungen fürs Redigieren.

 

Tipp 1: Alles Überflüssige rausschmeißen

Was ist überflüssig?

1. Füllwörter
Viele „auchs“, „nämlichs“, „abers“, „eigentlichs“ können raus. Früher war ich hier sehr puristisch. Heute lasse ich einige Füllwörter im Text, wenn sie einem normalen Sprachrhythmus folgen und den Text nicht beliebig und langweilig, sondern lesbarer machen. In den allermeisten Fällen brauchen wir, als Schreibende, diese Wörter als mentale Stütze, nicht der Leser. Das ist okay, wenn man sie später, beim Redigieren gnadenlos löscht.  Lies den Satz laut vor. Dann merkst du meist, ob ein Füllwort überflüssig oder angebracht ist. Im Zweifel: Weglassen.

2. Adjektive („Show, don’t tell“)
Verben sind die Helden unserer Texte. Oft versuchen wir aber, mit Adjektiven Situationen, Gegenstände oder Menschen zu beschreiben. Das funktioniert manchmal. Meistens ist es besser, das Adjektiv wegzulassen und dem Leser zu zeigen, warum wir jemanden oder etwas als schön, ängstlich, fröhlich, autoritär etc. bezeichnen (statt „Anna ist nervös“ lieber „Anna knetet ihre Finger und schaut immer wieder auf die Uhr“). Falls es keine Handlung gibt, die man erzählen könnte: Nochmal schauen, ob es einen guten Grund für dieses Adjektiv gibt. Sonst: Weglassen.

3. Wiederholungen
Gern beschreiben wir uns wichtig erscheinende Sachverhalte mehrmals, nur mit anderen Worten. Damit wollen wir dem Inhalt mehr Gewicht verleihen. Der Text verliert so seine Leichtigkeit, wird schwer und langweilig.

Auch wenn es wichtig ist: Einmal reicht!

4. Zusatz-Tipps
Wirf alle (wirklich: alle!) Passivkonstruktionen raus („Es wurde getanzt “) oder mache einen aktiven Satz aus ihnen („Die Hochzeitsgäste tanzten bis weit nach Mitternacht“). ChatGPT verwendet oft das Passiv, achte darauf, wenn du mit dem Tool arbeitest. Sei misstrauisch bei allen Sätzen, die mit „Es“ beginnen („Es ist wichtig, dass…“).

Meist kann man diese Sätze kürzen und so umformulieren, dass sie lesbarer werden (Schnelles Beispiel: „Es bringt Lesende näher an die Erfahrung der Charaktere heran und lässt die Geschichte lebendiger wirken“ wird zu „Lesende fühlen mit den Charakteren, die Geschichte wirkt lebendiger“.)

 

Tipp 2: Kill your Darlings

„Kill your Darlings“ ist ein bekanntes Prinzip, einen Text zu redigieren. Ein sehr schmerzhaftes. Aber das Opfer lohnt sich.

Die Frage lautet: Liebst du deinen (Gesamt-)Text und deine Leser genug, um mühevoll ausgearbeitete Formulierungen skrupellos zu streichen? Die meisten Texte haben Passagen, die nichts zur Qualität oder zur Klarheit des Gesamttextes beitragen. Oft lenken sie vom Hauptgedanken ab, manchmal stören sie den logischen Aufbau.

Du selbst hängst an diesen Sätzen, weil du sie als besonders gelungen empfindest. Weil du Zeit, Arbeit und Herzblut in sie gesteckt hast. Weil du dieses schöne, nebensächliche Detail wichtig findest. Für den Leser sind „deine Lieblinge“ aber irrelevant oder störend.

Als ich noch in der Redaktion einer Tageszeitung gearbeitet habe, gab es in unserem System eine Funktion „In den Hintergrund stellen“, mit der man Sätze oder Passagen markieren und unsichtbar machen konnte.

Sie waren weg, aber auch wieder nicht. Ein bisschen wie Schrödingers Katze für Journalisten.  Mit einem Klick hätte ich sie wieder hervorholen und in den Text integrieren können.

Das kam so gut wie nie vor. Aber ich hätte können. Das machte das Löschen leichter und  linderte den Schmerz.

In Word habe ich diese Funktion bis jetzt noch nicht gefunden.

 

Tipp 3 (ist sehr kurz)

Lass deinen Text über Nacht liegen und lies ihn, mit frischem Geist, an einem neuen Tag. Am besten gleich morgens. Verbessere alles, was dir auffällt. Am besten sofort. Ich bin immer wieder erstaunt, wie anders ich einen Text lese, wenn ich aus dem Betriebsblindmodus aus- und mit frischen Augen nochmal eingestiegen bin.

Eva Heer

Eva Heer

Journalistin & freie Lektorin

Ich möchte dich in deinem Schreiben unterstützen: Beratend in deinem Schreibprozess oder als Lektorin für deinen Text.

Und falls du nicht gerne schreibst oder du Zeit und Nerven sparen möchtest: Kein Problem. Ich schreibe für dich!

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